Geschichte des Vereins

Zur Vorgeschichte

 

In einem 1931 erschienenen Buch über den Junggesellenverein in der Eifel heißt es über das Alter dieser Einrichtung: ,,Es unterliegt keinem Zweifel, dass die historischen Wurzeln des Junggesellenvereins tief hineinreichen in die heidnisch-germanische Urzeit. Für diese Tatsache spricht schon der Umstand, dass ein Junggesellenverein an der Ahr vor einigen Jahren das Fest seines l000 jährigen und ein anderer das seines 500jährigen Bestehens feierte.

Dokumentarische Urkunden sind dafür allerdings nicht vorhanden. Als weiteren Beweis für das hohe Alter und den fränkischen Ursprung dieser Verbindungen führt der Verfasser noch das Vorkommen des Junggesellenvereins bei den Siebenbürgen-Sachsen auf, die vor 800 Jahren aus den Rheingegenden auswanderten. Andere Forscher nehmen hingegen an, dass der Junggesellenverein keineswegs eine uralte fränkische Stammeseinrichtung sei, sondern dem Mittelmeerkulturkreis entstamme. Wie dem auch sei, das oben genannte Alter von tausend Jahren für einen Verein an der Ahr, das allerdings nur mündlich überliefert ist, scheint reichlich unglaubwürdig. Hingegen ist das 500jährige Bestehen des anderen nicht näher genannten Vereins realistischer, denn der Walporzheimer Junggesellenverein feiert in diesem Jahr immerhin sein 475jähriges Bestehen (der älteste schriftliche Beleg datiert von 1514) der Lantershofener Verein wird sogar schon 1492 genannt und der Rheinbacher Junggesellenverein im Jahre 1597. Wieweit solche in den Städten und den stadtnahen Dörfern aus jungen waffenfähigen Männern zum Selbstschutz gebildeten Junggesellenschützen-Gesellschaften die gleiche Wurzel haben wie die anderen Junggesellenvereine, kann hier nicht untersucht werden. Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, wurden die Junggesellenvereine auf der Grafschaft zumeist während einer großen Gründungswelle um die Jahrhundertwende als organisierte Vereine ins Leben gerufen. Als lose Zusammenschlüsse, die vor allem das Maibrauchtum pflegten, haben sie mit Sicherheit schon lange vorher bestanden, doch fehlen dazu fast immer schriftliche Nachweise. Die in der folgenden Tabelle eingetragenen älteren Daten sind reine Zufallsfunde, die durch systematische Forschung allerdings vervollständigt werden könnten.

Gründungsdaten der Junggesellenvereine in der Gemeinde Grafschaft:

 

 

Ort                früheste                     offizielle

                     Erwähnung                 Gründung

Bengen          1822                          1883

Birresdorf      1823                          1905

Bölingen        1920                          1921

Eckendorf      1969                          1898

Esch               1919

Gelsdorf         1831                          1919

Holzweiler      1831                          1911

Karweiler        1919

Lantershofen  1492                          1835, 1879,

                                                        1887

Nierendorf      1700                          1901

Oeverich         1831                          1889

Ringen            1831                          1909

Vettelhoven    1896                           1901

 

Die in der Tabelle mehrfach genannte Jahreszahl 1831 ist nur ein indirekter Beweis für die Aktivität von Junggesellen. In diesem Jahr wurden nämlich in den Orten Gelsdorf, Holzweiler, Oeverich und Ringen vor dem Diebstahl von Maibäumen aus den Wäldern gewarnt, ohne dass die Junggesellen ausdrücklich genannt werden. Aber außer ihnen kam niemand infrage, der diesen Maibrauch pflegte. Im Kapitel über Maibäume werde ich noch auf dieses Schriftstück eingehen.

Das Verbreitungsgebiet von Junggesellenvereinen erstreckte sich in den 30er Jahren nur noch auf Teile der damaligen Kreise Ahrweiler, Mayen, Bonn, Rheinbach, Adenau, Schleiden und Monschau sowie die Stadt Malmedy in Belgien.

Von der Gründung bis zum 1. Weltkrieg

 

Wie im vorigen Kapitel erwähnt wird, datiert der älteste Beleg von Junggesellenbrauchtum in Oeverich aus dem Jahre 1831. Ein zweiter ganz eindeutiger Nachweis liegt aus dem Jahre 1867 vor: Am 24. Oktober dieses Jahres luden nämlich "Die Junggesellen von Oeverich" mit einer Anzeige in der Ahrweiler Zeitung zur bevorstehen den Kirmes nach Leimersdorf ein. Sie traten also schon vor 120 Jahren als Kirmesveranstalter auf. Unter dieser Annonce wirbt der Oevericher Gastwirt Schäfer für Tanzmusik in Oeverich, was darauf schließen lässt, dass die Junggesellen sich entweder mit ihm überwerfen hatten oder ihr Stammlokal damals in Leimersdorf beim Gastwirt Hubert Schüttler war oder die Junggesellen abwechselnd in Oeverich und Leimersdorf die Tanzveranstaltungen ausrichteten. Sechs Jahre später (1873) luden aber "Die Leimersdorfer Junggesellen" zur Kirmes nach Leimersdorf ein.

Die näheren Umstände und Beweggründe, die schließlich zur offiziellen Gründung eines Junggesellenvereins in der Gemeinde Leimersdorf mit Statuten und Anmeldung bei der Bürgermeisterei in Ringen führten, lassen sich nicht mehr erschließen, da sämtliche Unterlagen des Vereins in den Zeitläuften untergegangen sind. In einer Akte des Gemeindearchivs Grafschaft mit dem Titel "Vereine in der Gemeinde Leimersdorf" beginnt die Vereinsgeschichte mit den am 13. Januar 1889 in Oeverich aufgestellten Statuten, die allerdings erst zwei Monate später bei der Bürgermeistereiverwaltung eingereicht wurden. Sie beginnen folgendermaßen:

"Auf Antrag mehrerer Junggesellen hat sich ein Verein gebildet, welcher den Namen führt: Junggesellen-Verein Leimersdorf".

Artikel eins spricht dann über das Ziel des Vereins: "Der Junggesellen-Verein hat den Zweck, eine größere Einigkeit unter den Junggesellen hiesiger Gemeinde anzustreben. Es soll dies ein Verband sein, der die einzelnen Mitglieder aus den verschiedenen Ortschaften der Gemeinde anspornen soll, in heitern wie in ernsten Stunden zusammenzuhalten und auch nach außen hin die Achtung eines jeden Einzelnen zu fördern". Es folgen nun die weiteren Regulativen, die ganz ähnlich den heutigen sind.

Der Vorsitzende wurde genau wie heute "Präsident" genannt. Das klang wohl besser als Scholtes (Schultheiß), wie der alte Name für den Vorsitzenden der Junggesellen lautete und wie er beispielsweise in Esch noch 1919 gebräuchlich war. Dem Vorsitzenden zur Seite stand ein vierköpfiger Vorstand. Das Aufnahmealter war 18 Jahre. Zur Ausrichtung von besonderen Veranstaltungen wurde jeweils ein Festkomitee gebildet. Das Eintrittsgeld für neue Mitglieder betrug 50 Pfennig und der Jahresbeitrag eine Mark. Genau so viel kostete auch unentschuldigtes Fernbleiben von einer Versammlung, während Zu-

spätkommen mit 25 Pfennig bestraft werden sollte. Man hatte also schon damals mit den gleichen Schwierigkeiten wie heute in Bezug auf nachlässige Mitglieder zu kämpfen.

Den ersten Vorstand bildeten Apollinar Winten als Präsident - er wohnte im Hause Landskroner Straße 11, heute Josef Sontag -, Heinrich Küntgen, Peter Schaefer, Johann Peter Schäfer und Marcus Schumacher, alle in Oeverich wohnend. Soweit zu den Statuten, die schon zu jener Zeit nun einmal zu einem ordentlichen Verein hinzugehörten. Zu den viel interessanteren Fragen, welche Aktivitäten der Verein aufwies, wie seine Stellung im Dorf war und wie viele der vorhandenen Junggesellen ihm angehörten, läßt sich wegen fehlender Unterlagen nur wenig sagen.

Im Jahre 1900 hatte der Verein zwölf Mitglieder, also sicher nur einen Teil der Junggesellen aus den drei Dörfern Leimersdorf, Niederich und Oeverich. An erster Stelle wird man, wie in der Zeit vor Gründung des Vereins, das Maibrauchtum gepflegt haben, doch liegen uns darüber keine Nachrichten vor. Ein Jahr nach Vereinsgründung übernahmen die Junggesellen die Ausrichtung der Kirmes am 1. Juni 1890 und führten am 24. August desselben Jahres ihr erstes Stiftungsfest beim Gastwirt Kündgen (Landskroner Straße 9) durch, wozu ein Umzug durchs Dorf und das damals übliche Böllerschießen gehörte. Ob Gastvereine erschienen waren und ob die Fähndel geschwenkt wurden, ist nicht bekannt. Eine Tanzveranstaltung wurde jedenfalls von der Verwaltung nicht genehmigt. Die Bürgermeister bzw. Landräte verfuhren mit solchen Genehmigungen bis nach dem Zweiten Weltkrieg sehr zurückhaltend, und oft genug versagten sie den verschiedensten Vereinen die Erlaubnis mit der Begründung, es läge kein Bedürfnis vor, und zwar immer dann, wenn schon ein oder zwei Feste im Jahr mit Tanzveranstaltungen stattgefunden hatten. Doch das Drängen auf noch mehr Tanzveranstaltungen wurde immer stärker, so dass schließlich alle Dämme brachen und seit etwa 15 Jahren eine solche Fülle von Tanzveranstaltungen abgehalten wird, dass oft auch die Kirmes kein herausragender Höhepunkt mehr ist.

Die Vereine versuchten damals diese strenge Handhabung damit zu umgehen, dass sie die Erlaubnis für einen Ball beantragten, also für eine Tanzveranstaltung zu der nur eine geschlossene Gesellschaft Zutritt hatte, denn solche Bälle wurden eher genehmigt. So war es auch im Fall des genannten Stiftungsfestes, doch der Bürgermeister verbot, wie gesagt, jegliche Tanzveranstaltung, wahrscheinlich deshalb, weil er immer wieder festgestellt hatte, dass zu solchen Bällen auch viele Nichtberechtigte Zugang gefunden hatten. Das Stiftungsfest vom Jahre 1890 schien kein großer Erfolg gewesen zu sein, denn erst fünf Jahre später feierte man das nächste Junggesellenfest. Dazu erlaubte der Landrat auch eine Tanzveranstaltung im Saal der Gastwirtschaft Kündgen und verlängerte die Sperrstunde bis zwei Uhr nachts. Andere Aktivitäten des Vereins bezogen sich auf das Theaterspielen, das bis in die 50er Jahre in Oeverich und vielen Dörfern der Umgebung nicht nur von den Junggesellen, sondern auch von anderen Vereinen mit großer Begeisterung betrieben wurde. In den Statuten des Bengener Junggesellenvereins vom Jahre 1883 ist sogar ausdrücklich das Theaterspielen als Aufgabe des Vereins vermerkt.

In Oeverich gab der Junggesellenverein am 9. November 1890 beim Gastwirt Kündgen die erste "theatralische Vorstellung".

 

 

Abbildung 1: Erste Seite des Textbuches zum Theaterspiel "Thomas Morus, 1892 von den Junggesellen aufgeführt. Die Handschrift zeigt die Rolle für "Richard".

Zu Aufführung kam die "Genoveva" in acht Akten. Der Erfolg war so groß, dass man am 26. Dezember die Aufführung wiederholte. Die Ortspolizeibehörde hatte zur Auflage gemacht, dass um 11 Uhr das Wirtslokal geräumt sein musste.

Soweit feststellbar, führte der Junggesellenverein beim Gastwirt Kündgen folgende Theaterstücke auf:

- 9. November und 26 Dezember: 1890 "Genoveva" in acht Akten.

- 8. November 1891 : "Der Ägyptische Joseph". Ein biblisches Schauspiel in acht Akten.

- 6. und 20. November 1892: "Thomas Morus", ein historisches Trauerspiel.

- 3.Februar 1893: "Unter dem Schütze der Mutter Gottes", ein religiöses Schauspiel in vier Abteilungen und" Brenner, durstig und Kompagnie", ein Schwank in zwei Abteilungen.

 

Abbildung 2: Anzeige in der Ahrweiler Zeitung Nr. 135 vom 19. November 1892

Da das religiöse und kirchliche Leben viel ausgeprägter als heute war, hatten naturgemäß auch diese Theaterspiele oft religiöse Themen zum Inhalt. Warum 1893 die Theaterspiele aufhörten, ist nicht bekannt. Vielleicht war der Schwung der Anfangsjahre verflogen. Am 6. Februar 1902 wurde Friedrich Raubach aus Leimersdorf anstelle des ausgeschiedenen Markus Schaaf aus Niederich zum neuen Präsidenten gewählt. Danach scheint es um den Verein still geworden zu sein. Zwar luden die Junggesellen im Mai 1904 zusammen mit dem Gastwirt Kündgen von Oeverich und im Mai 1907 mit Gastwirt Schüttler aus Leimersdorf zur Kirmes ein, aber sonstige Aktivitäten sind nicht nachweisbar.

 

Offensichtlich bestand kein Verein mehr, denn am 18. September 1907 riefen zehn Junggesellen aus Oeverich und drei aus Niederich den Verein erneut ins Leben. In einem Brief an die Bürgermeisterei Verwaltung wird ausdrücklich von einem neu konstituierten Verein gesprochen. Die umfangreiche neue Satzung ist sogar bereits mit Schreibmaschine geschrieben, die es sicher damals im Dorf noch nicht gab.

Wahrscheinlich hat der Vereinskassierer Fritz Bell sie auf seiner Arbeitsstelle bei der Bürgermeistereiverwaltung in Ringen geschrieben.

 

Abbildung 3: Stempel des Jahres 1908

Der Name des Vereins "Junggesellen-Verein der Gemeinde Leimersdorf" blieb bestehen, obschon ihm anfangs nur Oevericher und Niedericher Junggesellen angehörten. Als Aufgabe des Vereins sah man in Ergänzung zu dem bereits in der ersten Satzung Gesagten "die Fortbildung und Unterhaltung (der Junggesellen) zur Anregung eines kräftigen bürgerlichen Sinnes und Lebens. Während diese Formulierung noch recht vage klingt, finden sich in den vergleichbaren Passagen anderer Junggesellen-Satzungen der Grafschaft konkretere Aussagen. So heißt es etwa in den Statuten des 1909 gegründeten Ringener Junggesellenvereins mit dem bezeichnenden Namen "Deutsche Treue" (auch der 1910 gegründete Nierendorfer Verein nannte sich so) noch deutlicher: "die Treue und Liebe sowie Anhänglichkeit an Kirche und Reich zu pflegen, ferner treue Kameradschaft und nationale Gesinnung aufrecht zu erhalten". Aufgabe der Vereine war also nach den Statuten, die nationale und kirchliche Treue ihrer Mitglieder zu fördern. Andererseits verboten aber manche Statuten, wohl aufgrund des preußischen Vereinsgesetzes, ausdrücklich jegliche Erörterung religiöser und politischer Angelegenheiten. Vergleicht man diese Zielsetzung mit den fast ausschließlich auf die Pflege der Geselligkeit ausgerichteten Aktivitäten der Junggesellenvereine, so muss man feststellen, dass sich in den Statuten eine bewusste Überhöhung des Vereinszwecks gegenüber den Behörden ausdrückte, um den Verein in den Augen der Behörden aufzuwerten, von denen die Junggesellenvereine zwar geduldet, aber keineswegs gerne gesehen wurden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Statuten vielfach woanders abgeschrieben und den eigenen Verhältnissen entsprechend verändert wurden, bleibt die Anpassung an die von Umwelt und Obrigkeit gestellten Wünsche sichtbar. Dass dies damals von der Obrigkeit ebenfalls so gesehen wurde, beweist ein Schriftverkehr zwischen den Holzweiler Junggesellen und dem Bürgermeister. Als dieser 1911

gegründete Verein im kommenden Jahr sein Stiftungsfest feiern wollte, versagte der Bürgermeister die Erlaubnis mit der Begründung, erläge kein Bedürfnis hierzu vor. Da die Junggesellen jedoch beharrlich auf eine Genehmigung pochten, wurde der Bürgermeister deutlich, indem er ihnen antwortete, der Junggesellenverein sei ein Vergnügungsverein ohne jeden idealen Zweck. Die Angaben in den Statuten seien nichts anderes als Vorspiegelungen falscher Tatsachen. Die Vereine wirkten umso schädlicher, als sie jetzt auf jedem Dorf bestünden und sich gegenseitig auf ihren Festlichkeiten besuchten und so fast jeden Sonntag "Lustbarkeit" irgendwo in der Nachbarschaft begingen. Da die "Lustbarkeiten" überhandnähmen, wolle er sie ab jetzt nur jedes zweite Jahr genehmigen. Dieses Jahr sei Vettelhoven an der Reihe, nächstes Jahr wieder Holzweiler. Für Vettelhoven waren übrigens 1909 und 1910 die Tanzveranstaltungen der dortigen Junggesellen verboten worden, weil frühere Feste ,mit "erheblichen Schlägereien" geendet hatten.

Die Behörden sahen bei den Tanzveranstaltungen aber weniger die Gefahr von Schlägereien, als vielmehr eine Lockerung der strengen Sitten, und was die Geistlichkeit anbelangt, so verdammte sie diese Feste wegen der reichlichen Gelegenheit zur Sünde. Aus diesem Grund beklagte sich der Pfarrer von Ringen 1909 über die ständige "Lauferei an die Ahr" Die negative Haltung der Geistlichen gegenüber den Junggesellenvereinen war aber auch darin begründet, daß die Jugendlichen ihrer Kontrolle entzogen waren. Die katholischen Jungmännervereine und Jungfrauenkongregationen gediehen überall nicht so recht, da sie für die Jugendlichen nicht genügend Anziehungskraft hatten.

Im Nachbardorf Fritzdorf hatte der Pastor im Jahre 1912 die Gründung eines weltlichen Junggesellenvereins durch eine Mahnung von der Kanzel und unter Beihilfe des Ortsvorstehers verhindern können. Als er wenig später doch gegründet wurde, vermerkte der Pastor bitter, der Verein würde nicht gerade zur Hebung der religiösen Gesinnung beitragen. Welches Klima damals auf dem Dorf herrschte und mit welchen Widerständen die Junggesellen vereine zu kämpfen hatten, zeigen die folgenden ungeheuerlichen Bemerkungen des Pfarrers von Bengen, niedergeschrieben im Jahre 1914:

"... der sogenannte Junggesellenverein, der eine Zeit fast eingeschlafen war, fand teuflische Förderer ... eine Fahne ward angeschafft, am 12. Juli "großartig" unter Reden und vor allem äußeren Flitter (man verstieg sich sogar, für das "Fest" mehr Triumphbogen zu bauen, wie Fronleichnam) am alten Schulhause eingeweiht. Der zeitige Lehrer gab sich für den Akt her. Darauf fand Fähndelschwingen usw. statt. Der

erste Fähndelschwinger fiel als erster des Ortes im Krieg. Und damit komme ich zum 2. Ereignisse, was dieses Jahr trübte, was gleichsam als Antwort auf das Fest vom 12. Juli drei Wochen später kam..."

Und damit meinte der Pastor man sollte es nicht für möglich halten - den Ersten Weltkrieg. Weitere ähnliche Äußerungen ließen sich anfügen, doch soll es damit genug sein. Es war eine ernste Zeit, in der Fröhlichkeit und Ausgelassenheit verdächtig erschienen, und etwas anderen wollten die Junggesellen nicht. Uns erscheint das heute schwer verständlich, da genau das gleiche viele Menschen in ihrer Freizeit

suchen und in den zahlreichen geselligen Vereinen auch finden. Nach diesen Ausführungen über das Ansehen der Junggesellenvereine im ausgehenden Kaiserreich wollen wir uns wieder der weiteren Entwicklung des Oevericher Junggesellenvereins zuwenden. Inwieweit er auch diese Schwierigkeiten wie die Nachbarvereine Bengen und Fritzdorf hatte, ist nicht überliefert. Der Verein war gerade wieder ins Leben gerufen worden, als er auch schon anlässlich der Oevericher Halbkirmes im November 1907 eine Tanzveranstaltung plante. Im Jahre 1909 kaufte man eine neue Vereinsfahne, wodurch die Vereinskasse ziemlich entleert werden musste, wie es in einem Brief an das Bürgermeisteramt heißt. Wahrscheinlich war es die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs vorhandene Tragfahne, denn auf einem Foto dieser Fahne kann man die Jahreszahl "190." lesen. Die letzte Ziffer ist leider nicht zu erkennen.

 

Abbildung 4: Ahrweiler Zeitung Nr. 99 vom 26. August 1909

In den folgenden Jahren bis 1913 richtete der Verein fast jährlich ein Stiftungsfest aus, zu dem befreundete Junggesellenvereine eingeladen wurden. 1910 waren es die von Birresdorf, Oedingen, Bandorf, Unkelbach, Kirchdaun, Ringen, Lantershofen, Großaltendorf und Villip. Als Gegenleistung war man verpflichtet, auch deren Einladung anzunehmen, so dass der Verein an etlichen Sonntagen des Jahres gemeinsam unterwegs war. Außer dem Stiftungsfest hielt der Verein alljährlich am Kirmesdienstag im Mai einen geschlossenen Ball im Saal des Vereinswirtes Kündgen ab und ebenso zur Halbkirmes im November. Die beiden ersten Kirmestage im Mai, also Sonntag und Montag veranstaltete der Gastwirt selbst seine Tanzveranstaltungen. Da nur zwei Tanzabende jährlich erlaubt waren, hielt man an den übrigen Tagen die bereits genannten geschlossenen Bälle ab, zu denen die allgemeine Öffentlichkeit an sich keinen Zugang hatte.

 

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 wurden keine Feste mehr gefeiert, die jungen Männer wurden eingezogen und das Vereinsleben kam zum Erliegen.

Zwischen den Kriegen

 

Der Erste Weltkrieg war kaum beendet, da lebten überall die Junggesellenvereine wieder auf. Schon 1920 ließ man in Eckendorf und Holzweiler neue Fähndel einweihen, womit deutlich wird, mit welchem Elan man wieder ans Werk ging. Auch der "Junggesellen-Verein der Gemeinde Leimersdorf" lebte im selben Jahr wieder sichtbar auf, indem er unter dem Präsidenten Anton Klein am 18. Juli sein erstes Stiftungsfest nach dem Kriege feierte. In diese Zeit fällt auch eine rätselhafte Umbenennung des Vereins. Am 2. März 1922 schrieb Josef Klein als Schriftführer des Vereins an die Verwaltung, in einer Versammlung habe man beschlossen, dem Junggesellenverein den Namen "Helvetia" zu geben. Bei der Verwaltung war man über den eigenartigen Namen höchst verwundert und erfuhr nach einer Rückfrage beim Verein, dass Helvetia "der Starke" heißen sollte. Wie es zu dieser Namensgebung kam, ist leider nicht überliefert. Vielleicht war es ein Ausdruck der Stimmung in der Bevölkerung, da Deutschland nach einem nicht als verloren angesehenen Krieg einem schmachvollen Friedensvertrag hatte zustimmen müssen. Jedenfalls ist es auffallend, dass auch beim Junggesellenverein von Vettelhoven 1919 erstmals der Name "Eiche" auftaucht, was offensichtlich das gleiche ausdrücken sollte. Doch wie man in Vettelhoven 1924 den Namen ablegte, als man neue Statuten verfasste, blieb auch der Name "Helvetia" in Oeverich nicht lange erhalten, jedenfalls tauchte er nachher nicht mehr auf, und auch keines der späteren Mitglieder kann sich heute an ihn erinnern.

 

 

Abbildung 5: Gruppenaufnahme der Junggesellen, im 1920. Liegend von links Stefan Hochgürtel, Franz Kündgen, kniend Matthias Palm, Stefan Mieden, stehend Johann Kündgen, Mathias Hochgürtel, Anton Klein(Präsident)

Nach den langen entbehrungsreichen Kriegsjahren war das Bedürfnis nach Vergnügungen überaus groß und ließ sich auch nicht von der Geistlichkeit und den Verwaltungsbehörden bremsen, denen die häufigen Tanzveranstaltungen wie in der Vorkriegszeit ein Dorn im Auge waren. So verbot 1919 der Bürgermeister den Gelsdorfer Junggesellen eine Tanzveranstaltung anlässlich des Stiftungsfestes unter anderem mit der Begründung "jeden Monat Tanzmusik auf dem Lande, das ist zu toll". Im Jahre 1924 - das Inflationsjahr 1923 war gerade vorbei, die Not aber noch nicht beendet - schrieb der Pfarrer

von Ringen in seine Chronik: "Es waren auch in diesem Jahre viele Tanzmusiken, da konnte man die Not nicht merken." Die wirtschaftliche Entwicklung verschlechterte sich gegen Ende der 20er Jahre noch mehr. Große Teile der Arbeiterschaft, des Mittelstandes und der Landwirtschaft gerieten in eine seit langem nicht gekannte Not. In scheinbar stärkstem Widerspruch zu dieser finanziellen Zwangslage stand die Vielzahl der Festlichkeiten aller Art. Im Jahre 1927 sah sich das Landesjugendamt der Rheinprovinz genötigt, die amtlichen Stellen auf die "um sich greifende Vergnügungssucht der heutigen Jugend mit ihren

bedauerlichen Folgeerscheinungen hinzuweisen und geeignete Maßnahmen zu fordern. Der Bürgermeister von Ringen antwortete darauf, alle Regelungen in der Vergangenheit hätten sich nicht bewährt. Nur durch Geldmangel sei Einhalt zu bieten. Bei den letzten Tanzveranstaltungen hätte sich schon gezeigt, daß ein amtliches Verbot nicht mehr nötig sei, vielmehr sorge inzwischen der Geldmangel für "eine gewisse

Stabilität".

Auch in der Gemeinde Leimersdorf sind die 20er Jahre trotz der wirtschaftlichen Not geprägt durch einen erstaunlichen Zuwachs an Vereinen, die mit ihren zahlreichen Aktivitäten, darunter Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen, das dörfliche Leben bereicherten. In den Jahrzehnten vor dem Krieg bestanden neben dem Junggesellenverein nur zwei Vereine: der schon 1826 erstmals erwähnte Kirchenchor und der 1872 gegründete Kriegerverein, der hauptsächlich Kriegerfeste organisierte und bei nationalen Feiertagen auftrat. Kurz vor dem Krieg im Jahre 1913 war der Männer-Gesang-Verein Oeverich gegründet worden, und etwa zur selben Zeit der hiesige Mandolinenclub. 1920 folgte der Männer-Gesang-Verein "Harmonie" Leimersdorf, 1919 ebenfalls in Leimersdorf der Skat-Club "Freundschaft", 1920 der Wanderclub "Edelweiß" Oeverich, 1924 der Kegelclub "Bahn frei" zu Oeverich, 1926 der Orchesterverein "Leimersdorf" und der Sportverein "Deutsche Jugendkraft" sowie schließlich um 1928 der Kleinkaliberverein Oeverich, der seinen Schießstand am Tanzsaal hatte.

 

Abbildung 6: Gruppenfoto des Junggesellenvereins vor der Gastwirtschaft Kündgen, 30er Jahre. Einige fehlen. Vorne von links: Josef Kohlhaas, Toni Bell, Aloys Schäfer, Josef Hermann, Rudi Münch. Hinten: Peter Klein, Josef Schaaf, ...(Knecht), Toni Sontag, Theo Münch ... (ein Knecht). Zwischen den Reihen rechts: Heinrich ... (ein Knecht).

Diese Vereine führten Tanz- und andere Veranstaltungen durch, die jetzt in den 20er Jahren einen solchen Aufschwung erlebten, dass der Gastwirt Kündgen 1926 seinen Saal um einen hinteren Teil vergrößerte, damit hier eine größere Bühne Platz finden konnte, die jetzt vor allem dem Gesang- und dem Sportverein für Theaterspiele zur Verfügung stand, die den Junggesellenverein in dieser Funktion abgelöst hatten. Der Junggesellenverein trat also etwas in den Hintergrund, doch waren natürlich die Junggesellen auch Mitglieder in den anderen Vereinen.

 

Abbildung 7: Mitglieder des Junggesellenvereins bei einem Stiftungsfest in Nierendorf, um 1932. Von links: Aloys Weber (mit Hut), Josef Sontag, Josef Münch, Johannes Kündgen, Josef Schaaf (hinten), ein Junge aus Nierendorf mit dem Schild für den Festzug, Hubert Miede Matthias Rieck, Max Schaaf, Peter Wirz, Josef Hermann.

 

Wie in der Vorkriegszeit pflegte man aber das Maibrauchtum weiter, richtete Junggesellenfeste aus (nachweisbar 1924, 1925 und in den 30er Jahren) und veranstaltete zusammen mit dem Gastwirt die Kirmes. Erwähnenswert ist noch, daß zu Anfang der 30er Jahre eine neue Schwenkfahne angeschafft wurde.

 

Abbildung 8: Fahnenträger und Begleiter, 30er Jahre. Von links: Max Schaaf, PeterKlein, Wilhelm Hermann.

In den Jahren 1933 bis 1936 wurde in Oeverich eine neue Kapelle gebaut, an deren Zustandekommen die jungen Männer jener Zeit einen entscheidenden Anteil hatten, indem sie tatkräftig an diesem Werk der Dorfgemeinschaft mitarbeiteten. Das von den Junggesellen gestiftete Urbanusfenster vorne rechts im Chor mit der Inschrift "STIFTUNG DER JUNGMÄNNER VON OEVERICH" erinnert uns noch heute daran.

Inwiefern nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 der Junggesellenverein Oeverich von diesen neuen politischen Verhältnissen beeinflußt wurde, läßt sich nicht mehr genau sagen. Einerseits erfuhren bekanntlich die alten Volksbräuche unter der Nationalsozialisten Regierung eine besondere Förderung, andererseits duldete sie jedoch keine Vereine, die sich ihrem Machteinfluß entziehen wollten. Sie wurden aufgelöst oder "gleichgeschaltet". Wie die Behörden zu dieser Zeit über die Junggesellenvereine dachten, zeigt folgende aufschlußreiche Stellungnahme des Amtsbürgermeisters von Ringen. Im Dezember 1937 ersuchte der Landrat den Bürgermeister um einen Bericht, ob die in den Dörfern noch bestehenden Junggesellenvereine (nicht Kolpingfamilie) für den heutigen Staat und die Partei als tragbar zu bezeichnen seien. Darauf antwortete jener: "In den Junggesellenvereinen sind fast nur junge Burschen, die sich um Politik nicht kümmern. Politisch sind die Vereine daher nicht zu beanstanden. Andererseits dürften sie im heutigen Staat keine Daseinsberechtigung mehr haben, da sie kein ernstes Ziel verfolgen und dem Tanz, Suff und Fähndelschwenken huldigen." Die Antwort des Landrats lautete, die Junggesellenvereine auch weiterhin hinsichtlich ihrer politischen Einstellung und Tätigkeit im Auge zu behalten. Das wird man sicher getan haben, aber feststellbar ist es nur in einem Fall. So erkundigte sich im Jahre 1941 die Geheime Staatspolizei nach der Junggesellen-Schützengesellschaft Lantershofen. Der Oevericher Junggesellenverein verbrachte die 30er Jahre trotzdem verhältnismäßig ungestört, bis im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach. Am 21. und 22. Mai dieses Jahres hatte man die letzte Kirmes gefeiert, dann wurden durch eine Verordnung des Reichsministers des Innern vom 4. September 1939 alle öffentlichen Tanzveranstaltungen untersagt. Das Vereinsleben erlahmte, da nach und nach die jungen Männer eingezogen wurden.